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Thrombose (Tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose, TVT)

Eine akute Thrombose der tiefen Venen (TVT) des Beines umfasst einen teilweisen oder kompletten Verschluss von Leit- oder/und Muskelvenen durch Blutgerinnsel in einer oder mehreren Etagen. Sie neigt zu appositionellem Wachstum (Wachstum durch Anlagerung von weiteren Blutplättchen und anderen Faktoren) und zur Embolisation in die Lunge. Eine spontane Thrombolyse (Auflösung des Blutgerinnsels) ist selten, und eine angestrebte Restitutio ad integrum (vollständigen Rückbildung) auch unter medikamentöser Therapie und Kompressionstherapie (Druck von aussen) ist meist inkomplett. In bis zu 30 Prozent entwickelt sich eine chronische venöse Insuffizienz mit postthrombotischem Syndrom und sekundärer Stammvarikose. Wichtig sind deshalb eine umgehende Diagnostik und Therapie bei nachgewiesener TVT.

Medizingeschichte der Thrombose

Im Altertum wurde die Thrombose unter die Ödemata eingeordnet. Sie firmierte als «Kalter Schleim» in der Säftelehre. Die erste Beschreibung einer tiefen Venenthrombose (TVT) und Lungenembolie liegt von John Hunter (1728–1793) vor. Er beschrieb eine Entzündung mit wandadhärentem (an der Wand anhaftendem) Gerinnsel. Seine Therapie war ein Kompressionsverband mit Leinen.

Von Rudolf Virchow (1821–1902) stammen die Begriffe Thrombus, Thrombose, Embolus und Embolie. Die Virchow’sche Trias definiert die Thrombogenese (Entstehung des Thrombus als Reduktion der venösen Flussgeschwindigkeit, Venenwandschädigung und Veränderungen in der zellulären und plasmatischen Blutbeschaffenheit.

Epidemiologie und Risiko faktoren

Über alle Altersgruppen
 hinweg beträgt die jährliche
 TVT-Inzidenz 1 bis 2 Fälle 
pro 1'000 Personen pro Jahr. Ab dem
 70. Lebensjahr steigt die
 Inzidenz um das zehnfache.
 In sechs europäischen Ländern 
(CH, D, I, F, GB, S) wurden in 2004 761'000 Fälle von TVT und 370'000 thromboemboliebedingte Todesfälle registriert.

Symptomatik der TVT

Die Symptome einer tiefen Venenthrombose unterscheiden sich bei voll mobilen und immobilisierten, bettlägerigen Patienten. So klingt beispielsweise ein «berstender» Schmerz beim Gehen und Stehen in der Wade und Fusssohle im Liegen ab. Die Schmerzsymptomatik ist bei subtotaler TVT schleichend oder akut (berstender Schmerz bei Querschnittsverschluss). Folgende Symptome sollten an eine TVT denken lassen: Ödem ("Wasser im Bein"), Schmerz, Spannung, Zyanose (Blauverfärbung der Haut), verstärkte Venenzeichnung.

Frühzeichen einer Thrombose sind die nach Hohmann (Schmerz bei Dorsalflexion im Sprunggelenk), Sigg (Kniekehlendruckschmerz), Payr (Druckschmerz über Fussinnenseite), Pratt (Warnvenen), Ducuing (Balottement der Wade) und andere. Zu unterscheiden sind die «Thrombose des ersten Ferientags» (z.B. Bergwandern bei Untrainierten), «Thrombose par effort» (Jogging, Marsch des Soldaten) und eine «Reisethrombose» (bei Langstreckenflug oder Busreise).

Diagnostischer Algorithmus

Der klinische Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose bestätigt sich nur in etwa 20 Prozent der Fälle. Bei geringem klinischem Verdacht und negativem D-Dimer-Test gilt eine TVT als ausgeschlossen. 
Bei positivem Test erfolgt eine Kompressionssonografie (Beurteilung der Venenwand und perivaskulärer Strukturen; B-Bild: fehlende Komprimierbarkeit, Aufweitung des Gefässlumens) und eine Duplexsonografie (Atemmodulierbarkeit, hämodynamische Parameter, Echogenität für primäre Diagnostik und Verlaufskontrolle). Sensitivität und Spezifität der Sonografie liegen zwischen 95 und 100 Prozent. Wichtige Differenzialdiagnosen wie Tumor, Aneurysma, Muskelfaserriss, Baker-Zyste und so weiter lassen sich ebenso ausschliessen. Bei eingeschränkter Aussagekraft (im Adduktorenkanal und am Unterschenkel sowie bei Ödem oder Adipositas) und vor einer Entscheidung zu invasiver Therapie (Operation /Lyse) besteht eventuell eine Indikation zur aszendierenden Pressphlebografie, die eine Differenzierung der Thromboseform und die Beurteilung von Wadenmuskelvenen, transfaszialen Thrombosen und Kollateralkreislauf erlaubt.

Die abdominelle und pelvine Thrombosediagnostik wird ergänzt durch ein Mehrzeilen-Spiral-CT für die gleichzeitige Beurteilung der peripher venösen und Becken- und der pulmonal-arteriellen Strombahn. Eine Magnetresonanztomografie (Time-of-Flight-Technik, Phasenkontrasttechnik, Signalverstärkung mit Gadolinum) stellt auch periphere Gefässe im Gipsverband und die venöse Beckenstrombahn dar.

Therapie

Medikamentöse und physikalische Sofortmassnahmen

Die wichtigsten Massnahmen bei nachgewiesener Thrombose sind Antikoagulation, Kompressionstherapie und Mobilisation zur Vermeidung einer Progredienz der TVT sowie einer Lungenembolie. In Einzelfällen kann unter bestimmten Voraussetzungen (frische TVT, junger Patient mit ausgedehnter Erstthrombose, Ausschluss Thrombophilie (Gerinnungsstörung), Bedrohung der Extremität z.B. durch Phlegmasia coerulea dolens) eine Thrombolyse (Auflösen des Blutpfopfs) oder Thrombektomie (Herausoperieren des Blutpfopfs) in der Absicht vorgenommen werden, ein schweres postthrombotisches Syndrom zu vermeiden.

Initiale Antikoagulation: Heparine oder Fondaparinux

Bei Verdacht auf TVT und fehlender Kontraindikation erfolgt die Antikoagulation in therapeutischer und gewichtadaptierter Dosierung mit niedermolekularem Heparin (NMH), unfraktioniertem Heparin (UFH) oder dem Pentasaccharid Fondaparinux. Heparin bildet mit Antithrombin einen Komplex, der abhängig vom Molekulargewicht die Gerinnungsfaktoren Xa und Thrombin hemmt.

Mittel der ersten Wahl sind niedermolekulare Heparine aufgrund einfacher Applikation (körpergewichtsadaptiert subkutan in Fertigspritze, 1- bis 2-mal täglich, je nach Präparat), hoher Bioverfügbarkeit und niedriger Komplikationsrate. Routinekontrollen der gerinnungshemmenden Wirkung sind nur bei abnormem Körpergewicht, Niereninsuffizienz und Schwangerschaft erforderlich. Die Kontrolle der gerinnungsaktiven Wirkung erfolgt durch Anti-Faktor-Xa-Test. Der Zielbereich, angestrebt 3 bis 4 Stunden nach subkutaner Anwendung bei einmaliger Applikation von NMH, liegt zwischen 0,6 und 1,3 IE/ml und zwischen 0,4 und 0,8 IE/ml bei zweimaliger Applikation.

Unfraktionierte Heparine erfordern eine Bolusinjektion, nachfolgend körpergewichtsadaptierte Therapie s.c. oder i.v. Laborkontrolle erfolgt mit APTT (aktivierter partieller Thromboplastinzeit). Ziel ist das 1,5- bis 2,5-Fache des Ausgangswerts. Bei schwerer Niereninsuffizienz werden unfraktionierte Heparine wegen geringerer Kumulation bevorzugt. Fondaparinux wirkt selektiv auf die Antithrombin-vermittelte Hemmung von Faktor Xa bei gleichwertiger Sicherheit und Effektivität wie NMH. Die Applikation erfolgt einmal täglich in körpergewichtadaptierter Dosis. Laborkontrollen der Gerinnungsaktivität entfallen. Falls ausnahmsweise doch nötig, lässt sich der Anti-Faktor- Xa-Test anwenden. Cave! Niereninsuffizienz: hohe Halbwertszeit, Ausscheidung über die Niere.

Die Gefahr für eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II (Abfall der Thrombozytenzahl > 50%) ist wegen der synthetischen Herstellung des Präparates sehr gering, aber nicht ganz ausgeschlossen. Die Thrombozytenzahl sollte vor Therapie (Ausgangswert) und nach etwa 5 bis 7 Tagen kontrolliert werden. Bei entsprechendem Verdacht sollte Heparin sofort abgesetzt und mit einem anderem Antikoagulans weitertherapiert werden (z.B. Danaparoid).

Kompression und ambulante Bewegungstherapie

Schmerz und Schwellung bei akuter TVT werden zunächst durch Anlegen von Kompressionsverbänden mit Kurz- oder Mittelzugbinden behandelt. Nach Ödemreduktion erfolgt eine Versorgung mit einem Kompressionsstrumpf der Klasse II (Andruck an der Fessel 23–32 mmHg). Die Strumpflänge richtet sich nach der Lokalisation der TVT: Bei Oberschenkel- und Beckenvenen-TVT Strumpflänge bis zur Leiste (A–G), bei Unterschenkel-TVT ein Strumpf bis zum Knie (A–D). Langfristig ist meist ein Wadenstrumpf ausreichend, um die in 20 bis 50 Prozent nach TVT auftretenden Haut- und Gewebeveränderungen im Sinne eines postthrombotischen Syndroms (PTS) zu verhindern. Die Dauer der Kompression wird nach den Ergebnissen phlebologischer Kontrolluntersuchungen festgelegt. Bei weiterhin bestehendem venösem Funktionsdefizit und Ödem wird die Therapie mit Kompressionsstrumpf fortgesetzt, sonst nach 2 Jahren beendet.

Eine zusätzliche aktive Bewegungstherapie (Venen-Walking, Radfahren, Schwimmen) unterstützt die Antikoagulation und Kompressionstherapie bzgl. Schmerz und Ödemneigung.

Invasive Therapie: Thrombolyse und Thrombektomie

Bei den Thrombus-beseitigenden Massnahmen (Thrombolyse, Thrombektomie) ist die Indikation ohne Nachweis therapeutischer Überlegenheit durch kontrollierte Studien im Hinblick auf hohe, therapiebedingte Morbidität und Mortalität kritisch zu stellen (bis zu 15% grosse Blutungen, 1,5% intrakranielle und 1% fatale Blutungen, nur ein Drittel der Behandelten zeigt volle Rekanalisation des Venensystems durch Intervention mit Thrombektomie und/oder Thrombolyse).

Es gibt Hinweise auf Erfolg mit kathetergesteuerter Thrombolyse mit Streptokinase/Urokinase über ein bis mehrere Tage unter täglicher Gerinnungsanalyse und sonografischer Erfolgskontrolle. Die Indikation kann gestellt werden bei jungen Patienten (< 50 J.) mit frischer Mehretagenthrombose (< 7 Tage). Eine Thrombektomie ist indiziert bei deszendierender Beckenvenenthrombose, progredienter Saphena- Phlebitis und Phlegmasia coerulea dolens sowie bei Progression in die Vena cava und bei septischer Thrombose. Die Indikation für Implantation eines Cava-Filters beschränkt sich auf ein hohes Lungenembolierisiko bei kontraindizierter Antikoagulation und rezidivierender Lungenembolie trotz adäquater Antikoagulation.

Medikamentöse Langzeitantikoagulation

Zur Verhütung von Rezidivthrombosen werden orale Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Sekundärprophylaxe eingesetzt, wenn keine invasiven diagnostischen oder the- rapeutischen Eingriffe geplant sind. In der Schweiz stehen Substanzen mit kurzer Halbwertszeit (Acenocoumarol [Sintrom®]) und mit langer Halbwertszeit (Phenprocoumon [Marcoumar®]) zur Verfügung. Der therapeutische Zielwert der INR beträgt 2,5 (Bereich 2,0–3,0).

Die Dauer der Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten berücksichtigt das individuelle Rezidivrisiko für eine TVT und das Blutungsrisiko. Hinweise auf Dauer des Prophylaxe- zeitraums in Abhängigkeit von der Art der Thrombose bietet die Tabelle 2. Nach einer ersten TVT wird für 3 bis 12 Monate in konventioneller Dosierung (INR 2,0–3,0) antikoaguliert. Bei sekundären Thrombosen nach transien- ten Risikofaktoren wie Operation oder Trauma erfolgt eine Antikoagulation meist nur für 3 Monate. Bei hohem Rezidivrisiko (thrombophile Diathese, rezidivierende Thromboembolien, Krebserkrankung) wird bei erster, idiopathischer TVT 6 bis 12 Monate, in individuellen Fällen langfristig behandelt. Eine längerfristige Therapie wird bei thrombophiler Diathese, massivem PTS, persistierender Erhöhung der D-Dimer-Werte und permanenten Risikofaktoren vorgenommen. Als solche gelten: angeborener Antithrombin- oder Protein-C-Mangel, homozygote Faktor- V-Mutation; Antiphospholipid-Syndrom und Kombinationsdefekte (z.B. heterozygote Faktor-V- und heterozygote Prothrombinmutation) sind schwerwiegend.

Neuere Substanzen

In klinischen Studien werden neue Antikoagulanzien geprüft, wie zum Beispiel Idraparinux (direkter Faktor Xa-Inhibitor, 1-mal pro Woche s.c.), sowie Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban und Dabigatran (Applikation oral). Rivaroxaban (Xarelto®) ist als einziges neues Präparat neben den VKA zur Therapie der TVT, zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) und zur Prävention von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern zugelassen. Die Anwendung erfolgt bei Patienten mit schwieriger therapeutischer Einstellung mit Vitamin-K-Antagonisten und nach Ausschluss einer Blutungsgefahr.

Zusammenfassung der Therapie

Die wichtigsten therapeutischen Massnahmen bei TVT sind die suffiziente Antikoagulation, in seltenen Fällen Thrombolyse oder Thrombektomie. Die Gefahr eines PTS lässt sich durch konsequente Kompressionstherapie verringern. Zur Vermeidung einer Rezidiv-TVT erfolgt Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonist oder Rivaroxaban. Die Dauer der Antikoagulation wird in Abhängigkeit von Lokalisation und Ätiologie der TVT bestimmt.

Zusammenfassung

  • Die Diagnose der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose (TVT) erfolgt durch Duplexsonografie.
  • Die Phlebografie sichert in seltenen Fällen zusätzliche Informationen für therapeutische oder prognostische Entscheidungen.
  • Der Verdacht auf eine HIT Typ II (HIT= Heparininduzierte Thrombozytopenie) ist so gut wie gesichert, wenn 
die Thrombozytenzahl auf mehr als die Hälfte des Ausgangswerts absinkt und eine thromboembolische Komplikation vorliegt.
  • Cave: Bei einer zu hohen Anfangsdosierung von VKA besteht die Gefahr der Cumarinnekrose. Nie mehr als 3 Tabletten auf einmal verordnen.
  • Die wichtigste physikalisch-therapeutische Massnahme nach TVT ist die Kompressionstherapie, um ein postthrombotisches Syndrom möglichst zu vermeiden.

Literatur

  1. Hach W: Venenchirurgie. Schattauer-Verlag, 2006.
  2. 
Blättler W et al.: Deutsche Gesellschaft für Phlebologie (DGP): Leitlinie: Diagnostik 
und Therapie der tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose (TVT). Phlebologie 1996; 
25: 199–203, letzte Überarbeitung 2003. 

  3. Hach-Wunderle V et al.: Therapie bei tiefer Bein- und Beckenvenenthrombose. 
Dtsch Ärzteblatt 105: 25–33.